Seit zehn Jahren besteht nun schon der Franziskusweg an der Thüringer Hütte. Zu diesem Jubiläum zeigt der Weg im wahrsten Sinne des Wortes ein neues Gesicht: Ein riesiger gespaltener Holzkopf bildet seit neuestem den Abschluss des Weges. Dieser Kopf - gespalten - ein Gefühl das jedem vertraut ist und trotzdem vereint er sich mit der Umgebung. Egal wie tief die Risse auch sein mögen, durch sie strahlt einem die volle Pracht der Schöpfung entgegen.
Diese Schöpfung, die durch unser immer schneller werdendes Leben immer weniger Beachtung erfährt, rückt wieder in den Vordergrund. Der hölzerne Schädel bildet so eine Erinnerung an den Sonnengesang des Franziskus, in dem dieser Gott für das Leben in allen Facetten dankt, egal wie unbedeutend diese erscheinen. Erst der Blick auf das Detail eröffnet einem die wahre Schönheit. Eine Sache die wir leider allzu oft verdrängen.
Bischofsheimer Holzbildhauerschule
Den Kopf verdankt der Franziskusweg Michael Stenzel aus Schönau (Rhön-Grabfeld), einem Schüler der Holzbildhauerschule Bischofsheim. Der Kopf ist als Geschenk zum zehnjährigen Bestehen des Franziskusweges gedacht. Seit der Eröffnung im Mai 2007 haben unzählige Besucher den Ideen von Franziskus nachgespürt - sowohl an den Stationen zum Sonnengesang bereichert mit 12 Holzskulpturen als auch auf dem Lebensweg mit inspirierenden Texten und Anregungen.
Wasser
Der Franziskusweg überquert in seinem Verlauf zweimal einen kleinen Quellbach. Dieser kündigt sich durch sein sanftes Plätschern an und läd mit seinem klarem Wasser in dem steinigem Bachbett zum verweilen ein.
Die kleine Tafel mit einem Zitat aus dem Franziskanischen Sonnengesang adelt das Rhöner Bächlein zum spirituellen Symbol: „Gelobt seist Du, mein Herr, für das Wasser, sehr nützlich ist es, und demütig und kostbar und keusch“, heißt es im Sonnengesang. Der Franziskusweg bietet einen Kurzgedanken an: „Die Quelle spendet Wasser – unablässig – ein immerwährendes Angebot. Ich entscheide, ob ich es in mich aufnehmen will.“
Licht und Schatten
Der Weg schlängelt sich durch die Natur und zeigt sich mal lichtdurchflutet auf Wiesen und Waldlichtungen und mal schattig und dunkel unter dem Blätterdach der Bäume. Die Themen folgen dabei dem Gesicht des Weges. So heißt eine Station im tiefen Wald „Bruder Tod“. Ein sich zum Sterben zusammenkauerndes Reh, ebenfalls eine Holzskulptur, zwingt zum Innehalten. Nebenan auf einer Stele eine Menschengruppe, die sich von einem anderen abwendet. Der Tod tritt schon ins Leben, wenn Menschen ausgegrenzt werden. Die Botschaft der Nächstenliebe ist auch eine gesellschaftliche.
Der Sonnengesang
Wind, Feuer, Gestirne, die Sonne: die Elemente des Sonnengesanges aus dem 13. Jahrhundert werden auf dem etwa zweistündigen Rundweg meditativ betrachtet. Was vor zehn Jahren begann als Idee von Monika und Günter Werner, der mittlerweile verstorben ist, hat schon hunderte Freunde in der Region gefunden. Manche gehen immer wieder den Franziskusweg, gerade um ihn zu unterschiedlichen Jahreszeiten zu erleben. Dann verlagern sich Schwerpunkte. Aus der erwachenden Schöpfung wird die vergehende Natur.
Freundeskreis
Ein rühriger Freundeskreis kümmert sich um den Weg. Die Stationen müssen frei von Bewuchs gehalten werden, Prospektmaterial muss ausgelegt, die kleine Kapelle am Startpunkt unterhalb des Schullandheims instand gehalten werden. Anfangs haben „Wegbegleiter“ die Wanderer bei Sonntagsführungen in das Konzept des Meditationsweges eingeführt. Mittlerweile gibt es Führer in Buchform und viele Franziskusweg-Freunde führen selbst ihre Bekannten. Die Sonntagsführungen werden deshalb erstmals 2018 ausgesetzt. Für Interessierte gibt es aber weiterhin die Möglichkeit, eine Führung zu buchen.
Der Freundeskreis denkt im zehnten Jahr seines Bestehens darüber nach, ergänzend zu den Führungen digitale Führungen anzubieten, wobei vor Ort über das Internet erläuternde Texte zu jeder Station heruntergeladen werden können. Die alte Botschaft von der Versöhnung des Menschen mit Gott und von der Sichtbarwerdung Gottes in seiner Schöpfung gelangt dann auf die Smartphones der Wanderer.
Weitblick
Die wunderbarste Station ist vielleicht die letzte Strophe des Sonnengesangs: „Alles, was atmet, lobe den Herrn. Lobet und preiset den Herrn und dankt und dient ihm mit großer Demut.“ Der Kurzgedanke dazu: „Ich werfe meine Freude wie Vögel an den Himmel. Was aus mir kommt, was da um mich ist, ist Hochachtung, Lob und Dank.“
Eine Art hochkantiger Holzrahmen fasst eine eiserne Sonne und schwirrende Vögel als Silhouette. Der Blick geht wiederum durch das Kunstwerk hindurch zum dahinterliegenden herbstlichen Farbenspektakel. Bald wird ihm eine kahle, unwirtliche Landschaft weichen. So, wie es der Kreislauf der Jahreszeiten vorschreibt.
Versuchungen
Das letzte Stück des Franziskusweges folgt steil neben der Verbindungsstraße von Urspringen zur Thüringer Hütte. Wie es sich für einen spirituellen Weg gehört, darf ein Moment der Versuchung nicht fehlen. Sie ist nicht geistiger, wohl aber leiblicher Art. Es locken die berühmtesten Windbeutel der Region in der Thüringer Hütte. Der luftige Brandteig türmt sich, als wolle er sich mit der Rother Kuppe messen.
Der Brandteig hat einen gewiss verändert, jede Personenwaage wird es bezeugen. Was hat aber der Franziskusweg in einem bewirkt? Hunderte Antworten zu einer persönlichen Wahrheit dürfte es geben. So viele, wie Menschen den Weg gelaufen sind.